Samstag, 19. Dezember 2015

Das Altiplano - ein Wechselbad der Gefühle


Ein zweites Mal wagen wir uns durch die Atacama bis auf die Höhen der Anden, ins Altiplano. Wir reisen in einem Gebiet, was Chile Ende des 19. Jahrhunderts im sogenannten Salpeterkrieg anektiert hat. 
Wüste - ein Ende ist nie in Sicht...,
... für Überraschungen ist sie stets offen...,
....und Farben und Formen begeistern immer wieder.
Der sprichwörtliche Chilesalpeter, der hier abgebaut wurde, war in der Landwirtschaft als Dünger weltweit unabdinglich und konnte recht leicht zu Sprengstoff verarbeitet werden. Im Krieg verlor damals Peru große Flächenanteile sowie Bolivien seinen Zugang zum Meer, um den es aber gegenwärtig vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag scheinbar recht erfolgversprechend kämpft.
Wir besuchen dabei die Geisterstadt Humberstone, die fast ein Jahrhundert lang den Arbeitern in der Salpeterproduktion als Wohn- und Arbeitsort diente. Wir laufen durch die damalige Vorzeigestadt, die sogar ein Theater und ein Schwimmbad besaß, für die damaligen Verhältnisse echter Luxus. Die Besitzer der Salpetergruben und der Stadt sorgten jedoch dafür, dass die guten Löhne wieder zurück in ihre eigenen Taschen flossen. Sie zahlten mit einer betriebsinternen Währung, die nur in Humberstone galt.
Durch die Straßen weht der Geist von Humberstone.
Alte Technik zum Anfassen.
Der Zug fur Humberstone ist lange abgefahren.
Die Ruinen von Werk und Stadt wirken in der Wüstenumgebung doppelt beeindruckend. Wir dürfen fast alle Räume durch knarrende Türen betreten und steigen über vor sich hin rostende Produktionsuntensilien. Deutscher Forschergeist sorgte schon bald für das Ende des Salpeterbooms. Haber und Bosch erfanden die Möglichkeit aus Luftstickstoff Ammoniak herzustellen, was zur allmählichen Schließung aller Gruben in Chile führte und somit auch zum Verlassen von Humberstone.
In einem kleinen Wüstenörtchen mit etwa 30 Einwohnern können wir die vielleicht kleinste Schule Chiles besuchen. Die allein angestellte Lehrerin Donna Lilly hat lediglich drei Schüler zu betreuen. Es geht familiär und sehr locker zu. Wir schwatzen und spaßen mit den drei Kleinen, so weit es unsere Sprachkenntnisse zulassen. Zumindest leistet sich das chilenische Bildungssystem diesen Luxus und lässt die Kinder wenigstens bis zur 5. Klasse in ihrer Familie. Später dann müssen sie natürlich in das Internat der weit entfernten Stadt.
Donna Lilly mit der kleinsten Klasse Chiles.
HW zeigt Bilder aus der großen weiten Welt.
Don Luis hat Gefallen an Ramona gefunden.
Im Dörfchen übernachten wir bei Don Luis, einem 87 jährigen älteren Mann, der noch auf der Suche nach einer dritten Frau war, da die beiden ersten unglücklicherweise frühzeitig verstorben waren. Er lebte wie die anderen im Dorf mit zwei Stunden Strom am Abend zwischen 8 und 10 Uhr, zum Telefonieren musste er erst drei Kilometer fahren und einkaufen konnte er nur in einem Miniladen, der wirklich nur die nötigsten Grundnahrungsmittel besaß.
Viel Verkehr auf unserer Schotterpiste.
Von weitem freut man sich auf ein Dorf,
dann ist es aber meistens verlassen und einsam.
Abendmeditation kurz vor dem Einmummeln in den Schlafsack.
Auch im Altiplano-Hochland fahren wir  wiederum durch fast menschenleere Gebiete und sind aufs Neue fasziniert von dem Farbenreichtum der kargen Landschaft. Immer wieder sehen wir Lama- und Alpacaherden, aber auch unglaublich schnell davon rennende Nandus oder Viscachas, die zwar Verwandte des Meerschweinchens sind, aber eher wie Hasen mit eingerolltem Schwanz aussehen.
Der 6330 m hohe Parinacota an der Grenze zu Bolivien,
leider für uns etwas in Wolken gehüllt.
Nandus, straußenähnliche Großvögel, die mit
erstaunlicher Geschwindigkeit davon sprinten können.
Eine kleine Rauchfahne über einem der zahlreichen aktiven Vulkane.
Es geht auf schmalen Pisten vorbei an köchelnden Vulkanen, den aus jedem Blickwinkel sich anders darstellenden Salzseen,  durch scheinbar verlassene Dörfer hin zu Berggipfel, die aus der Ferne so aussehen, als ließen sie sich ganz einfach besteigen. Wir lassen uns auf ein neues Bergabenteuer ein und besteigen ein willkürlich ausgesuchten fast 5000 m hohen Gipfel. Die dünne Luft und die durch die unendlich empfundene Weite unterschätzte Entfernung lassen die Querfeldein-Besteigung zu einer körperlich echten Herausforderung werden.
Ein täuschender "Vulkan"
Höhenrekord für Ramona - 4862 m 
Dabei haben wir eine völlig überraschende Begegnung mit einem Kondor, der uns genauestens inspiziert und ganz knapp über unseren Köpfen kreist. Offensichtlich hatte es sich in der Anden-Kondorpopulation herumgesprochen, dass meine erste Sichtung im Colca-Canyon nicht ganz meinen Vorstellungen entsprochen hatte.
Seine Majestät, der König der Lüfte.
Greift er an oder läßt er Gnade walten?
Erholen können wir uns in einer mit 51 °C fast zu heißen Thermalquelle, die aber menschenleer ist und nach kalter Nacht im Zelt (beim Aufstehen ist der kleine Bach mit Eis überdeckt) unseren Gliedern sehr wohl tut. Wir sitzen wie in einer Badewanne, werden von der aufgehenden Sonne mit Licht übergossen und schauen inmitten von in der Nähe weidenden Vicuñas und emsig vor sich hin fischenden Flamingos in die unfassbar schöne Bergwelt.
Ein grauer, noch ungeschminkter Flamingo bei der Morgentoilette.
Die Einsamkeit des Altiplano.
Die beglückendeste Badewanne der Welt.
Dann geht es wieder zurück zum Pazifik. Ein letztes Mal wird die so tot wirkende aber bei näherem Hinschauen doch recht lebendige Atacama durchfahren. Die Staubfahnen hinter unserem Auto vermischen sich mit den kreiselförmigen Windhosen über dem Wüstenplateau und wir sind froh in einem Hostel in der Pazifikstadt Iquique all unsere völlig durchstaubte und sich echt eklig anfühlende Kleidung in die Wäsche zu geben. Wir stürzen uns am Vorabend des 3. Advents in die recht kalten aber herrlich erfrischenden Riesenwellen des Pazifiks.

Auch im Norden Chiles gibt es vereinzelt Elendsquartiere.
Pazifischer Abschied von der Atacama.
Inzwischen sind wir ein paar tausend Kilometer weiter südlich angekommen, blicken in Punta Arenas an der Magellanstraße auf das sagenumwobende Feuerland und bereiten uns auf unsere Patagonientour vor. Wir grüßen Euch alle zum 4. Advent, Ramona und HW.


11 Kommentare:

  1. Der Kondor und die Naturbadewanne sind tatsächlich wie im Paradies! Adventsgruesse zurück fried

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  2. Wie seid ihr denn bis feuerland gekommen.? Mit eurem auto? Ist ja eine Wahnsinnsstrecke!!LG fried

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    1. Nein, wir sind von Antofagasta nach Punta Arenas geflogen, das sind fast 4000 km. Dort haben wir dann ein anderes Auto gemietet. Jetzt fahren wir langsam nach Santigo zurück. Auch das reicht schon von der Entfernung her. Adventsgrüße zurück HW

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  3. gratuliere, Ramona! ich würde weit vor 4800 m abklappen. frohe weihnachten euch!

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    1. Danke, wir wissen noch gar nicht, wo wir sein werden, wir werden es nehmen wie es kommt. Herzlichen Gruß nach Tilling HW und R

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  4. Trefft ihr eigentlich auch manchmal andere Touristen?

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    1. Ja, schon, in den Hostels und an den Sehenswürdigkeiten, ansonsten versuchen wir aber schon auf etwas abseitigen Wegen zu gehen...., schön, das wir gerade skypen konnten, lass es dir gut gehen....

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  5. Ein besinnliches Weihnachtsfest in der wunderbaren Fremde wünsche ich Euch!

    Jörg

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    1. Danke lieber Jörg, das gleiche wünschen wir auch. Bei uns kommt jedoch nur wenig weihnachtliche Stimmung auf. Wir genießen aber den Sommer und ruhen uns herrlich aus.... Gruß HW

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  6. Wo treibst ihr euch über die Feiertage rum??? Frohes Fest aus der frühlingshaften alten Heimat euer fried

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    1. Ich habe den Blog gerade wieder aktualisiert, du wirst es gleich sehen, schön aber, dass Du an mich denkst.... Herzlichen Gruß Dein Bruderherz

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