Sonntag, 18. Oktober 2015

Mitten durch die Anden

Inzwischen bin ich einige Hundert Kilometer im Hochland der Anden südwärts gekommen. Grob vereinfacht ziehen sich zwei mächtige Gebirsketten im Abstand von 200 bis 600 km Breite 7000 km durch ganz Südamerika von Nord nach Süd. Dazwischen liegt ein Hochland, was keineswegs glatt und eben verläuft, wie ich das aus anderen Gebirgen Europas kenne. Das Hochland hier in Peru ist genauso zergliedert, wie die Seitenketten mit hohen Pässen und tiefen Tälern, nur nicht ganz so hoch wie die beiden Randgebirgsketten. Ich hatte das Glück noch einmal mit der Eisenbahn eine über Hundert Kilometer lange Strecke zu fahren. Diesmal war es fast noch abenteuerlicher als die erste Fahrt. Der Zug war ein Wrack und den Zugbegleitern war alles egal. Nur wenige Touristen fuhren mit.

Noch eine beeindruckende Eisenbahnfahrt.....
...durch die grandiose Bergwelt....
...bis in das kleine Örtchen Huancavelica (3680 m)
Ich konnte herrlich an der geöffneten Wagentür stehen, mich weit hinauslehnen und die wunderbare Gebirgslandschaft genießen. Wo gibt es so was noch in Europa? Vielleicht bei der Moritzburger Kleinbahn, aber dort ist die Landschaft nicht ganz so dramatisch wie hier. Für diese Blicke, die sich mir tief eingeprägt haben, konnte ich die versch.... Toiletten und das fehlende Wasser locker verschmerzen.
In der nächsten Stadt, viel kleiner und mit fast 3700 m noch etwas höher gelegen, zeigten sich endlich die Anden von ihrer besten Seite. Ich fand Wege, sicher nicht für Wanderer, dafür aber für die dort oben lebenden Hirtenfamilien, konnte bis auf 4700 m hochsteigen und mich in den unendlichen Weiten dieser Bergwelt emotional verlieren. Die schier unendliche Weite ist unvergleichlich mit allem, was ich bisher an Gebirgen erlebt habe.
In diesen Hütten wohnen die Hirten
Blick auf den zurückgelassenen Ort
Und weiter in die weit über 4000 m hohe Bergwelt hinein
Physisch war das Orientieren für mich etwas Geübten recht einfach. Meist war sogar im Tal noch ein Zipfel des Ortes zu erkennen, auf den man wieder zulaufen konnte. Oben angekommen, begeisterten mich zahlreiche Lama- und Alpakaherden, von Hirten und Hunden war keine Spur zu sehen, so dass ich mich anschleichen und mitten in den Herden herrliche Fotos schießen konnte. Die Tiere waren ziemlich neugierig und beobachteten mich genau. Sie ließen mich relativ nah heran, bevor sie weitertrabten.
Was rennt denn hier für ein Ausländer rum,
scheinen sie zu denken....
Die Alpakas sind zottliger und im Gesicht "unrasiert"
Rechts die Lamas dagegen haben nicht so viel Wolle
und sehen im Gesicht "rasiert" aus
Ein einziges Mal mußte ich selbst flüchten. Als ich ein Baby-Lama vor der Linse hatte, baute sich ein ziemlicher Brocken vor mir auf, wahrscheinlich das Leittier. Ich zahlte lieber Fersengeld, ich hatte doch irgendwann einmal etwas von Anspucken gehört.
An das süße Baby-Lama kam ich nicht von vorn ran.
Und endlich konnte ich mich den Einheimischen etwas annähern. Normalerweise scheint dies etwas schwierig zu sein. Mir fällt auf, dass die Menschen hier, den Augenkontakt vermeiden. Da kannst du noch so strahlend und freundlich in die Welt blicken, sobald sich zwei Augenpaare treffen, schaut dein Gegenüber weg. Da bleibt nur die Möglichkeit des direkten Ansprechens.
Kinder bilden die Ausnahme, mit ihnen bist du schnell
im Gespräch, der Junge führte gerade sein Lamm durch die Stadt
Bei einer Wanderung sah ich am Stadtrand an einem Zelt viele mit bunten Decken schmuck gekleidete Frauen stehen und sitzen, die auf etwas warteten. Nach langem Zögern sprach ich zwei von ihnen an. Natürlich stellte ich mich mit meinem sehr gebrochenen Spanisch vor, mit Deutschland und Lehrer und Menschen, die ich gern fotografieren würde, lobte ihre wirklich schöne Kleidung und siehe da: wir waren im Gespräch. Sie fragten mich aus, ich gab bereitwillig Auskunft und endlich konnte ich mein Familienbild einmal aus der Tasche ziehen. Das war dann der große Durchbruch. Jeder wollte einmal einen Blick auf die deutsche Familie werfen, ich mußte die Namen nennen, das Alter, den Beruf und viele Fragen konnte ich nicht beantworten, weil ich sie einfach nicht verstand.
Aha, so sehen die deutschen Frauen aus....
Das muss man wirklich gesehen haben...
Lustig war dabei vor allen Dingen, das sie jede Antwort von mir bekicherten und ganz besonders als ich den Namen von Ramona nannte, auch wenn mir das Warum nicht klar wurde. Das führte dann aber zu einem schönen Abschlußbild. Ich ließ alle nochmal zu einer Gruppe zusammen kommen und kurz bevor ich den Auslöser drückte, sagte ich schlicht: Mi esposa se llama Ramona. Das Ergebnis könnt ihr im Bild sehen.
Wenn der einmal Bann gebrochen ist,
 gibt es gern ein fröhliches Lächeln.
Mi esposa se llama Ramona....
Inzwischen habe ich den Landstrich durchquert, der in meiner Jugendzeit vom Terrorregime des "Leuchtenden Pfades" beherrscht wurde. Die linke Guerillatruppe wollte den Kommunismus erzwingen und hatte unter der Landbevölkerung, hier im ärmsten Teil Perus, einigen Rückhalt. Man schätzt, dass 30.000 Menschen ums Leben gekommen sind, weil Regierungstruppen und Guerillakämpfer blind die Landbevölkerung abschlachteten. Hier bedauere ich es, so wenig Spanisch zu können. Ein Besuch in einem von Witwen eingerichteten Museums in Ayacucho, der Zentrale damals, lohnte sich wegen der ausschließlich spanisch beschriebenen Ausstellungstücke nicht. Auch alle Versuche über meine Reiseorganisation SERVAS an Einheimische heranzukommen, sind hier in Peru wie schon in Costa Rica gescheitert. Ich bekomme in der Regel auf Mail-Anfragen keine Antwort. Das entäuscht mich ziemlich.

Die Siegermannschaft
Endlich konnte ich auch einmal Fussball spielende Jungs finden. Wie immer zieht mich so etwas magisch an. Hinkommen, fragen, ob ich mitspielen kann, Mannschaft einteilen (ich Schweinsteiger, du Pizarro, du Farfan) und schon geht es los. Meine Kinder wissen, dass ich das stets in Urlauben gemacht habe und das hat bisher immer geklappt. Ein herrliches Spiel mit technisch mir überlegenen Jungs am Steilabhang und meine Lunge war ob der Höhe am Zusammenklappen. Trotzdem konnte ich das 6:5 Siegtor mit der Säge feiern und wir hatten viel Spaß miteinander.
So herrlich ist diese Bergwelt....,
....und ich darf mittendrin sein.
Ganz schlimm war noch ein Hundeerlebnis. Die Biester hier rotten sich in manchen Städten zu Gruppen zusammen und sind richtig agressiv. Bei einer Wanderung stürzten plötzlich vier große Köter aus dem Gebüsch und kläfften mich an. Da ich gerade eine Treppe herunterlief, fiel ich beim kurzzeitigen Zurückweichen hin. Das betrachteten sie als Sieg und kamen bis auf wenige Zentimeter an mein Gesicht heran. Ich sehe die fletschenden Zähne noch vor mir. Mein schier übermenschliches Angst-Gebrüll ließ sie etwas zurückschrecken. Als ich mich aufgerappelt hatte, brüllte ich einfach solange weiter, bis sich die "elenden Schweinehunde" wieder trollten. Auch das ist Peru, es gibt Besseres.
So allmählich komme ich aber hier an. Manchmal kann ich über den stinkenden Dreck auch schon hinwegsehen. Und: kurzzeitig hatte ich tolle Begleiter. Vier junge Leute aus der Schweiz, zufällig kennengelernt, nahmen sich des "Alten" etwas an und ich fühlte mich schon fast wie in einer kleinen Familie.
Meine Schweizer BegleiterInnen,
zwei Katharinas, ein Thomas und ein Benjamin
Auch das ist Reisen und solche Begegnungen mit Menschen runden die Natur- und Kulturerlebnisse so richtig ab. Es grüßt ganz herzlich ein inzwischen wieder fröhlicher dreinblickender HW....

9 Kommentare:

  1. Ich erlebe gerade das völlige Gegenteil von unberührter Natur, wenigen Menschen und Armut. Viele Grüße aus Dubai

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    1. Du hast bestimmt schon wieder Goldbarren aus dem Automaten gezogen, oder....;-) Gute Erholung und Gruß zurück HW

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  2. Dass mit den Hunden hätte ich wahrscheinlich nicht verkraftet, Du hast gut reagiert! Respekt! LG fried

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    1. Das war keine Reaktion, sondern nur noch die reinen Überlebensinstinkte...

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  3. deine gabe, dich selbst zum besten haben zu können, ist toll. auch die, sich über die fahrt mit einem haufen schrott an einer schönen aussicht entlang mit option auf kilometerlangen absturz freuen zu können....schöne bilder wieder zum guten text

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    1. Das hätte dir auch gefallen, garantiert. Im Übrigen sind hier die Schlosser wahre Künstler, was die an Autos wieder alles zusammenfriemeln, das ist unglaublich.

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    2. tja, überfluss macht hirntot.
      und not macht erfinderisch.

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  4. Kläre mich bitte noch über den Ramonaspruch auf.Was hast Du da gerufen? LG fried

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    1. Die Übersetzung lautet nur: Meine Ehefrau heißt Ramona. Und sofort fingen sie lauthals an zu lachen. Ich habe trotz mehrfacher Nachfrage nicht heraus bekommen, warum. Vielleicht lag es an meiner Aussprache, vielleicht gibt es ein Qechua-Wort, was so ähnlich klingt, ich weiß es nicht....

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