Dienstag, 6. Oktober 2015

Pura Vida - Leben in der Karibik

In meiner dritten und letzten Woche reise ich nochmal per Bus durch das gar nicht so große Land und strande im Osten an der Karibik. Ich fahre wieder durch sattgrüne Wildnis, komme aber auch an riesigen Chiquita-Bananenplantagen vorbei, wo jede Fruchtstaude in einen blauen Müllsack gehüllt ist. Die extra für den westlichen Markt mit viel Pestiziden hochgezüchteten Sorten sollen keine Flecke bekommen, höre ich.
Das Teleobjektiv könnte noch etwas größer sein.
Costa Rica hat im übrigen einige Besonderheiten. Die ehemalige Bananenrepublik hat seit Jahrzehnten eine stabile Demokratie. 1983 wurde hier die Armee abgeschafft und sich zu strikter Neutralität verpflichtet. Das Land hat seine ausgesprochen reichhaltige Naturausstattung als Wert an sich erkannt und bereits mehr als ein Viertel des Landes unter Naturschutz gestellt, Tendenz steigend. In wenigen Jahren soll die Energieerzeugung  aus erneuerbaren Energien von derzeit 85 % auf endgültige 100 % ansteigen, sagt man mir. Das klingt sehr interessant, trotzdem kommt mir alles nicht ganz geheuer vor.
Auch hier bei diesem Tukan.
Wenn ich in die Wälder gehe, sind ständig breiteste Schneisen geschlagen mit zahlreichen Wegen und holprigen Strassen, die zu Villen und grossen Farmhäusern führen. Es scheint für Ausländer offenbar recht einfach zu sein, Land zu kaufen, in Tourismus zu investieren und davon gut zu leben. Die Eintritte in die Nationalparks sind meist hoch, die umgebenden Quartiere auf US-amerikanische Touristen ausgelegt, dementsprechend überteuert und für Einheimische nicht nutzbar. Das ist wirtschaftlich gedacht und muss nicht schlecht sein. Trotzdem sind die Orte, an denen die Parks liegen, schmutzig, verfallen und nicht ansehnlich. Ich habe das Gefühl, das Geld, was die zahlreichen Touristen bringen, kommt irgendwo an, aber nicht bei der breiten Bevölkerung.
Ein Baumsteiger- oder Pfeilgiftfrosch, mit tödlich giftigen
Hautausscheidungen, je nachdem, was er gefressen hat
An der Karibik geht es noch etwas "relaxter" und "gechillter" als am Pazifik zu. Hier leben dunkelhäutigere Ticos, die zudem Patois sprechen, ein abgewandeltes Englisch. Ich habe die Gelegenheit, in Cahuita einen am Meer liegenden Nationalpark zu durchstreifen. Ich sehe wieder zahlreiche Affen und große Echsen. Nur der Ameisenbär, den ich so gern sehen möchte, bleibt mir verwehrt.
Urwüchsiger, unberührter Karibikstrand
Der "Saurier" scheint fürs Foto sogar noch zu lächeln.
ein Selfie, nur ohne Stick
Bei einer Bootsfahrt in das Rio Estrello-Delta lerne ich die Lagunenwelt kennen mit unzähligen Wasservögeln und Krokodilen. Ich komme mir manchmal ein wenig wie auf einem Mini-Amazonas vor.
Lagunenlandschaft
Mitten durch den Wald
Ein Krokdil sucht das Weite.
 Zudem bietet meine Quartiergeberin, eine seit 35 Jahren hier lebende Schweizerin, an, Talamanca-Indianer zu besuchen. Sie leben in eigenen Dörfern kurz vor der Grenze zu Panama. Sie sind in die Gesellschaft integriert, sprechen aber ihre eigene Sprache und leben ihre eigene Kultur. Bei einem Waldrundgang zeigt uns das Familienoberhaupt auf engstem Raum die zahlreichen nutzbaren Pflanzen. Wildbanane steht neben Kakaobaum, Gummibaum in der Nähe von Zuckerrohr.
Die taubstumme Tochter trennt geschickt die Spreu vom gemahlenen Kakao
Zahlreiche Färbe- und Heilpflanzen werden gezeigt, auch die Früchte, aus denen sie ihr Geschirr herstellen, den Bindfaden oder den Leim. Es ist unglaublich, mit welch einfachen Werkzeugen und Techniken das Leben im Wald ablaufen kann. Am Ende sehen wir, wie Schokolade hergestellt wird und dürfen natürlich das Produkt kosten. Ich bin schwer beeindruckt. Die besuchte Familie lebt mit 9 Kindern und inzwischen 9 Enkeln in ganz bescheidenen Hütten. Und doch beschleicht mich das Gefühl, dass es diese Lebensweise nicht mehr lange geben wird, als ich in der dunklen Hütte das TV-Gerät entdecke.
Eine andere Tochter mit ihrem Kind
Vom Fernsehen weggelockt...
Man braucht kein Spaßbad wie in Deutschland....
Die Ticos leben im allgemeinen sehr bescheiden. Trotzdem zählen sie laut statistisch abgesicherten Befragungen zu den zufriedensten und glücklichsten Menschen weltweit. Es muss an der Einstellung und Mentalität liegen. "Pura Vida" ist hier ein geflügeltes Wort. Der Ausdruck, der so viel wie "Pures Leben" bedeutet, wird hier zur Begrüßung und zum Abschied verwendet. Man nutzt ihn, wenn es einem gut geht, aber auch, wenn ein Missgeschick passiert ist. Wenn du am schönsten Strand unter Palmen ein kühles Getränk genießen kannst, Pura Vida. Wenn du im strömenden Regen auf den nicht kommen wollenden Bus wartest und das Wasser oben ins Shirt reinläuft und am Hosenbein wieder heraus, immer Pura Vida. Vielleicht kann ich davon ein kleines Stückchen mit zurück nach Deutschland nehmen.
Ein Dorfbewohner in Cahuita
Nach neun Reisewochen kommen vereinzelt Ermüdungserscheinungen. Zu Hause wäre es jetzt sicher auch ganz schön, zumindest nicht so heiß. Ich merke, dass ich in etwas kühlere Gefilde muss und mehr lange Wanderungen brauche. Ich freue mich auf das Altiplano, das Hochland der Anden, was ich bald in Peru und Bolivien bereisen werde. Dazwischen liegt nur wieder ein für mich so häßlicher Flug.

P.S. Da mir immer häufiger Drogen angeboten wurden, nahm ich an, dass mein ganzes Outfit, meine zerzausten Haare und der strubblige Bart daran Schuld sein könnten. Ich suchte einen richtigen Friseur auf, übrigens das erste Mal seit 45 Jahren.
vorher
nachher 
Wie ihr seht, hielt man es dort aber auch mit Weed. Zumindest wurde mir eine feine Tico-Frisur verpaßt, die aber nicht viel nützte. Kurz nachdem ich den Laden verließ, wurde mir das nächste Angebot unterbreitet.....
Pura Vida
Und: die fotografierten Menschen haben dem Foto immer zugestimmt und wir haben gemeinsam die Bilder angeschaut, bei den Kindern habe ich die Eltern gefragt.

9 Kommentare:

  1. Friedmar Sonntag6. Oktober 2015 um 22:09

    Dein vergammeltes Outfit sieht aber wesentlich cooler aus! !!was kostete der haarschnitt eigentlich? Ansonsten bleib sauber! ! LG fried

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    1. 5000 Colones, fast 10 Euro, als Tourist wirst du immer etwas mehr zur Kasse gebeten. Was sagst du zum Müller, Gerd?

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    2. Friedmar Sonntag8. Oktober 2015 um 07:59

      Hat mich schon berührt mit unsrem gerd,deswegen machst Du es richtig mit deinem intensiverleben! Dein Bruderherz

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  2. Die Rasterzöpfe stehen dir gut! Ach -.... falsches Foto! Du bist der andere! :)
    Ja, zu Hause ist es jetzt schön kühl. Früh musste ich meine Autoscheiben kratzen, den Termin zum wechseln der Winterräder muss ich noch machen und zwei Glühlampen am Haus müssen gewechselt werden, da es jetzt immer dunkler wird und die Sommerzeitumstellung bald kommt. Außerdem haben wir schönen kalten Nieselregen und manchmal herrlichen Nebel. Echt super HW!

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    1. Ich hatte heute auch Nebel und Nieselregen in Lima, aber 20 Grad, das lässt sich dann doch aushalten..... Nur das Dauerhupen auf den Straßen ist schier unerträglich. Scheibenkratzen, das klingt nach Frost, ist es jetzt schon so weit bei Euch?

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  3. pura vida! steht auch auf meines töchterchens t-shirt aus costarica. cool. ja, nimm und bring was davon mit. und guten flug wünsche ich dir!

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    1. Pura Vida war auch der Flug nach Lima, voll hoch durch die dicken Gewitter-Wolken mit dem Gefühl, gleich kracht die ganze Kiste auseinander, dann habe ich mich durch konzentriertes Lesen versucht abzulenken, als ich durch einen dumpfen Schlag bis ins Mark erschrak, war es aber plötzlich schon die Landung... pura Vida.

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  4. Oskar War besonders von dem Gladbachfrosch begeistert!

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    1. Siehst du, für Oskar begebe ich mich ohne Zögern in Lebensgefahr....

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