Freitag, 29. April 2016

Zurück in Deutschland - Fazit Teil II

In Südafrika setzten sich einige der Mosaiksteine der Reisebilder zu einem etwas deutlicheren Bild zusammen. Das Land wurde für mich Tag für Tag immer mehr zum Spiegel für unsere Welt. So wie ich es in südafrikanischen Städten und Dörfern hautnah erleben konnte, so sieht im Großen die ganze Welt aus. Der weiße Mann aus der westlichen Welt hat unsagbaren Reichtum angehäuft, ist wirtschaftlich auf einem höchsten Level und kann sich beste Bildung leisten. Der Rest der Welt hat durch die herrschenden Weltmarktbedingungen wirtschaftlich kaum Chancen zum Aufsteigen, er bleibt degradiert als Rohstofflieferant oder kann dem reichen Touristen aus dem Westen vielleicht noch seine Naturschätze vorführen. Es wundert mich nicht mehr, dass mit wenig Geld wie im Nahen Osten Kämpfer rekrutiert werden können, die diesem ganzen System den Kampf ansagen. Und es wird spürbar, dass eine Flüchtlingswelle auf uns zu rollen könnte, die die derzeitige klein und unbedeutend erscheinen lässt. All die armen Menschen dieser Welt haben inzwischen in der Regel leichten Zugang zu den Medien. Das hat die Globalisierung mit sich gebracht. Wir stellen unseren luxuriösen Lebensstil bestens in Szene und werden immer mehr Wünsche in dieser Richtung induzieren. Es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis sich immer mehr Menschen der abgehängten und vernachlässigten Restwelt auf die Beine machen, um in eines dieser "gelobten Länder" zu kommen. Wir sollten dringend aufwachen und dafür sorgen, dass ein Ausgleich zwischen den so verschiedenen Welten hergestellt wird.
Was verbindet alle diese Menschen?
Ob allein...,
...oder mit Familie...,
...ob jung...,
...oder alt...,
...ob gesund und wohlgenährt...,

oder krank und leidend...,
...ob zurückhaltend...,
...oder selbstbewußt
Jeder möchte gebraucht werden...,
...und stolz auf seine Arbeit sein.
Jeder möchte sich bilden...
und im komplizierten Alltagsleben ein wenig Durchblick haben.
Jeder Mensch hat ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben mit Arbeit und ein wenig Wohlstand. Wenn wir uns weiter abschotten und versuchen den Wohlstand, den wir glauben uns selbst erarbeitet zu haben, mit allen Mitteln sichern und allein genießen wollen, so wie es viele unserer Landsleute heutzutage durch die Wahl der AfD andeuten, werden wir früher oder später scheitern. Wir sollten schnellstens dafür sorgen, langfristig dieses Wohlstandsgefälle in unserer Welt deutlich zu reduzieren, sonst werden wir uns eines Tages wundern, wenn Millionen Menschen vor unseren Türen stehen, nicht mehr bettelnd und bittend, sondern fordernd und gewalttätig, um mehr abzubekommen von dem großen Kuchen, den wir immer noch sorglos und ohne groß nachzudenken, genüsslich vertilgen.
Eingebettet in diese Beobachtungen waren für mich persönlich aber noch tiefgreifender die Hunderttausend Blicke, die ich mit den unterschiedlichsten Menschen in all diesen Ländern gewechselt habe. Viele der Augenpaare scheinen beim Anschauen der Bilder wieder lebendig zu werden. Häufig hatte ich das Glück, dass aus den Blicken Gespräche entstanden, bei denen sich zwei Menschen begegneten, die zwar aus ganz unterschiedlichen Welten kamen, die sich aber trotzdem ganz einfach austauschen konnten.   Das grundlegende Verstehen scheint nur bedingt an die Sprache gekoppelt zu sein. Das einfache und freundliche Begegnen durch den Versuch sich verständlich zu machen mit Worten, mit Mimik und Gestik und manchmal nur durch Augenkontakt oder Lachen, das war eine wundervolle Erfahrung.
Überall, wo ich hinkam...,
...fand ich freundliche,...
...neugierige...
?
...oder lustige Menschen
Ob schüchtern...
oder kontaktfreudig,...
...ob unbeobachtet...
...oder in Pose,...
...ob bodenständig...
...oder etwas ausgeflippt,...
...ob ernst und erhaben...
...oder locker und fröhlich,...
meist reichte ein Lächeln,
...um sich zu verstehen.
 Was oben aufliegt: fast ausschließlich alle Menschen, denen ich begegnet bin, hatten eine positive, wertschätzende Art mir gegenüberzutreten. Ich hatte das Glück, so gut wie nie als der reiche Weiße wahrgenommen zu werden, der vielleicht wegen seines Geldes interessant sein könnte. Viel eher waren es Neugier, Offenheit und ein großer Vertrauensvorschuss, was mir entgegengebracht wurde. Kein einziges Mal wurde ich bedroht und die in den USA gestohlene Jacke blieb die absolute einmalige Ausnahme. Die Begegnungen mit den Menschen vor Ort, aber auch das Kennenlernen von vielen anderen neugierigen Reisenden, von denen einige vielleicht sogar Freunde geworden sind, das war genauso wertvoll wie das Erleben der Naturwunder.
Diese einmalig schöne lange Reise hat mich sehr dankbar gemacht, was ich zum Jahreswechsel schon mal etwas ausführlicher beschrieben hatte. Heute möchte ich aber noch konkreter werden. Zuallererst habe ich das Bedürfnis, mich bei  Ramona, zu bedanken. Sie hat mich motiviert, mir diesen Lebenstraum zu erfüllen, hat zu Hause die Fäden in der Hand behalten und mir den Rücken freigehalten. Danke auch an meine Töchter Louisa, Theresa und Joanna. Wir haben uns gerade in dieser Zeit spannende und schöne Mails geschrieben haben, manchmal mit Worten, die man im Alltag sonst ganz selten gebraucht. Danke auch bei meiner ganzen Groß-Familie, die mich begleitet hat und mich immer wieder mit Neuigkeiten versorgt hat. Viele meiner Freunde haben mir spontan geschrieben und mir das Gefühl gegeben, nicht ganz abgehängt zu sein vom Alltag des Lebens in Deutschland. Danke auch bei allen Kollegen und Schülern, die mir freundliche Grüße gesendet haben oder mit denen ich mich per Mail längere Zeit austauschen konnte. Und ganz besonderer Dank gilt natürlich all den anderen Bloglesern, die mich durch ihre Anteilnahme, die zu fast 15.000 Seitenaufrufen geführt hat,  immer wieder neu motivierten, mit offenen suchenden Augen durch die Welt zu gehen. Gern hätte ich manchmal noch mehr gewusst, wer sich alles in die Leserschar eingereiht hat. Vielleicht kann sich der eine oder andere ja noch outen? Einige der Kommentatoren waren ganz besonders fleißig und haben mir durch fragende, wertende und humorvolle Beiträge echt Freude bereitet. Danke Jörg, Danke Volker, Danke dem Handballtrainer, der hochverehrten Frau Meier und Dir, Fried, für die neunmonatige Treue. Klasse. 
Was wird die Zukunft für diese Kinder...,
...und Jugendlichen bringen?
Werden ihre Eltern ihnen eine glückliche...,
...oder eine entbehrungsreiche Kindheit geben?
Werden sie weiter in armseligen Behausungen...
...oder in bescheidenem Wohlstand aufwachsen?
Werden Sie sich die erträumte, ...
lebensfrohe Zukunft erschaffen können?
Wir sollten Ihre Lebenswirklichkeit akzeptieren...
....und ihre Bemühungen nach Kräften unterstützen
Es ist vielleicht gar nicht so schwer?
Das Leben geht weiter, ich werde sicher hier und da etwas Mühe haben, wieder richtig Tritt im deutschen Alltag zu fassen, andererseits habe ich einen tollen Beruf, in den ich eine Menge meiner neuen Erfahrungen mit einbringen kann und ich habe noch drei Monate Zeit, wo ich das Leben ganz ungestört genießen kann.  Darauf freue ich mich.  Wie immer ganz herzlich Euer HW.

Donnerstag, 21. April 2016

Zurück in Deutschland - Fazit Teil I


Ich sitze inzwischen in Pirna, zwar noch nicht wieder am gewohnten Schreibtisch, weil unsere eigentliche Wohnung noch vier Wochen vermietet ist, aber eine Etage darüber, wodurch ich einen weiten Blick in den erwachenden Frühling genießen kann. Ich bin begeistert von Deutschland. Das kann ich nach fast neun Monaten Reise mit Fug und Recht behaupten. Es ist nicht nur das vertraute Umfeld, das Geborgensein in der Familie, die gewohnte Nahrung oder das eigene Bett. Es ist auch die erlebte Tatsache, mit eigenen Augen gesehen zu haben, wie anders es in der großen weiten Welt zugeht. Ich lebe zu Hause in einem so sicheren Umfeld, es gibt genügend Arbeit und selbst ein Harz IV-Empfänger lebt noch besser als der überwiegende Teil der Menschen in manchem der Länder, die ich besucht habe.
Meine Reise ist ganz unspektakulär zu Ende gegangen. Flug nach Frankfurt, pünktlicher ICE bis Dresden für lächerliche 19 EUR, Treffen mit Ramona, die gerade von Arbeit kam und Heimfahrt mit der S-Bahn nach Pirna, so wie ich damals Anfang August aufgebrochen war.  Sind meine Erwartungen erfüllt worden? Das kann ich mit einem klaren Ja beantworten, auch wenn ich mir die vielen Facetten der Reise vorher nur schwer ausmalen konnte.  Zum einen wollte ich viele Orte auf dieser Welt einfach mit eigenen Augen sehen und erleben. Ich wollte wissen, wie die Menschen in anderen Teilen der Erde wirklich leben und ich wollte schauen, wie ich mich selbst verändere während des Reisens.
Wie unterschiedlich blau kann Wasser sein?
Im Nationalpark Torres del Paine,...
...entlang der Carretera Austral,...
...als Abfluß riesiger Gletscherseen,...
...auf den Höhen der peruanischen Anden,...
...an der einsamen karibischen Küste,...
...unter der hellen Sonne Südamerikas,...
...in der dünnen Luft des bolivianischen Altiplanos,...
...inmitten der Wolken des Titicacasees,...
...oder an den salzigen Resten ehemaliger riesiger Wasserreservoire in Nordchile.
Einige der großen Naturwunder dieser Welt mit eigenen Sinnen spüren und erleben, hat mich zutiefst glücklich gemacht. Die sprudelnden Geysire aus der überdimensionalen Gasblase des Yellowstone-Nationalparks aufspritzen zu sehen, in den überwältigenden glutheißen Grand Canyon hinabzusteigen und unter Aufbietung aller Kräfte ihm wieder zu entkommen, durch den schier undurchdringlichen Regenwald in Costa Rica oder Bolivien zu wandern und dabei den nicht definierbaren geheimnisvollen Geräuschen  zu lauschen, den über 6000 Meter hohen Chachani in den Anden zu bezwingen, der dem phantastischen Hochland eine Krone aufsetzt, am Iguazu-Wasserfall eingehüllt zu sein vom ohrenbetäubenden Tosen und Spritzen der Wassergischt, über den unglaublich großen Titicacasee zu schippern und das tiefste Blau des Himmels zu erleben, im wolkenverhangenen Feuerland die ungemütliche Kälte des fast schon antarktischen Sommers zu spüren oder den rauen Wind am Kap der Guten Hoffnung, die menschenleeren Stein- und Sandwüsten der Atacama und der Namib zu durchqueren mit Farbspielen, die nicht von dieser Erde zu stammen schienen, am Strand der drei großen Ozeane barfuß das immer wieder so beruhigende Rauschen der unendlichen Wellen zu genießen, einen gerade noch aktiven Vulkan in Chile zu besteigen und die beängstigenden Naturkräfte wahrzunehmen, die überwältigende Tierwelt Afrikas zum Greifen nah vor den eigenen Augen zu haben und nicht zuletzt  mehrfach in finsterster Nacht in eine alle Dimensionen sprengende, größer als unendlich scheinende Milchstraße zu blicken und sich als winziges Molekül im großen Werden und Vergehen des allen Denkens übersteigenden Universums zu fühlen, das hat sich tief eingebrannt in mein Hirn und in mein Herz.
Wie bizarr kann die Bergwelt sein?
Im Death Vallay sandiger als,...
...an den Tuffsteingebilden des Mono Lake,...
...am Machu Picchu bewachsener,...
...als im bolivianischen Hochland von Uyuni,...
...in den Drakensbergen bei Lesotho grüner,...
...als in den chilenischen Vulkanketten,...
...in der Gletscherwelt Argentiniens eisiger,...

...als in den überhitzten Sanddünen der Namib,....
...oder am nackten Felsgestein der Anden grauer,...
...als inmitten der farbigen Gesteinsformationen Patagoniens.
Dass ich dabei ein dreiviertel Jahr fast ausschließlich in kurzen Hosen verbracht habe und mit wenigen Ausnahmen immer in einem herrlich warmen Sommer gereist bin, das war ein angenehmer Nebeneffekt, den ich echt genossen habe.
Dass diese einmalige, unglaublich schöne Welt aber in höchstem Maße bedroht ist, wurde mir immer wieder vor Augen gehalten. Meine Reise begann in New York, immer noch ein Nabel der Welt, zumindest für die Finanzindustrie. Glitzer und Glamour dieser Stadt waren überwältigend und hatten für mich Symbolcharakter für unseren westlichen Lebensstil. Das Wohlstandsgefälle neigte sich von Land zu Land. War ich in Costa Rica schon erstaunt und in Bolivien und Peru erschrocken, so steigerte sich dies in Südafrika und in Namibia in tiefe Erschütterung. Was für ein Gegensatz. Solange man nicht direkt damit konfrontiert wird und diese Ungleichheit mit eigenen Augen sieht, bleibt sie etwas Abstraktes, als etwas Existentes, was aber zu meinem realen Leben keinen Bezug hat.
Die gehobene Fackel als Symbol der Freiheit...,
...in einer überdimensionalen Menschenbehausung,...
...hat längst angefangen, einen weltumspannenden Brand zu entfachen...,
...der unsere Lebensgrundlagen in Frage stellt.
Werden wir als Menschheit in der Lage sein...,
...uns in unserem Wohlstand zu bescheiden,...
...damit die Sonne weiterhin durch die Blätterdächer der Regenwälder...
...auf die das alles nicht begreifende,...
...unglaublich schöne...
...und neugierige Mitwelt scheinen kann?
In Südamerika wurde mir klar, dass wir uns nie aus unserer Verantwortung werden stehlen können. In Deutschland habe ich in letzter Zeit allzu oft gehört, dass wir doch bitte schön nichts dafür können, für das, was die vorhergehenden Generationen an Schaden in der Welt angerichtet haben. Das ist eine diskussionswürdige These, die uns ein Leben ohne größere Gewissensbisse verschaffen soll. Sie ist gut nachvollziehbar, verdeckt aber die Tatsache, dass die Opfergenerationen sehr wohl mit den Wunden der Vergangenheit klar kommen müssen. In ganz Amerika hat der weiße Mann nicht nur ganze Völker ausgerottet, sondern auch Sprache, Kultur und Religion der dort noch lebenden Minderheiten nachhaltig und dauerhaft zerstört. Wir haben uns als Herrschafter aufgespielt und jeden Freiheitswille über Jahrhunderte mit Gewalt unterdrückt. Nachdem die Länder ausgelaugt und ausgebeutet waren, haben sich die Kolonien in von Weißen beherrschte Nationalstaaten umgewandelt, die den Ureinwohnern genauso wenig Rechte einräumten. Die koloniale Abhängigkeit wandelte sich Schritt für Schritt in eine wirtschaftliche um. Waren es früher die Zuckerrohr-, Kaffee- oder Bananenrepubliken, so wird heutzutage auf riesigen früheren Regenwaldflächen Soja angebaut, damit unsere industrielle Landwirtschaft das billigste Fleisch der Welt produzieren kann. So wie im Süden Afrikas, ein Kontinent, der noch schlimmer geknechtet und vergewaltigt wurde, die Wildtiere fast nur noch in den eingezäunten Nationalparks leben können, so wird es bald auch in Südamerika aussehen. Die gesamte Reisezeit über begleitete mich das El Nino-Klima-Phänomen mit extremen Trockenheiten und Starkniederschlägen glücklicherweise immer erst dann, wenn ich das Land bereits verlassen hatte. Immer wieder bekam ich auf Nachfrage von den Menschen vor Ort zu hören, dass sich das Klima schon seit Längerem verändert habe. So wenig wir davon hier in Mitteleuropa wirklich spüren, für manch einen Bauer in Amerika oder Afrika war dieses gefühlte Wissen bereits existenzbedrohend. 
In dieser bezaubernden Welt,...
...die in leuchtenden Farben erblühen,...
...majestätisch abweisend erscheinen,...
...bizarre Lebensformen hervorbringen...
...und wieder zerstören kann,...
durfte ich vor mich hinsinnend allein...
oder mit vertrauten Menschen,...
...Herausforderungen bewältigen,...
...die mich wie auf dem Sechstausender an die eigenen Grenzen brachten,...
...und mein Dasein in allen Schattierungen...
...und mit allen Sinnen genießen.
Was ich über die Folgen der Globalisierung gelernt habe, was ich über die persönlichen Begegnungen mit Menschen noch zu sagen habe und wem mein ausdrücklicher Dank  gebührt, das könnt ihr im letzten, mit zahlreichen Porträts von Menschen aus den bereisten Ländern versehenen Blog lesen, der in wenigen Tagen den endgültigen Abschluß bildet.