Samstag, 12. März 2016

Fahrt in die Hoffnungslosigkeit - Swaziland

Da sind diese bittenden Augen vor dem herunter gelassenen Fenster: "Can I give my number too?" Vier Jugendliche haben uns ihre Handynummer auf einen Zettel geschrieben. Wir sind vor einem kleinen Supermarkt mit ihnen ins Gespräch gekommen, über das Leben in ihrem Swasiland, einer Enklave in Südafrika, über Jobs, die Schule, über den König. Es scheint schwer zu sein, hier zu leben. Es gibt keine Arbeit, niemand hat einen Job für uns, sagen sie. 28 Tage lang dürfen sie offiziell in Südafrika arbeiten. Dort will sie aber niemand, da dort ebenso hohe Arbeitslosigkeit herrscht, derzeit sind es 25 %.
Junge Leute aus dem Swaziland: Wo gibt es Arbeit?
Vielleicht habt ihr ja Arbeit für uns, ihr kommt doch aus Deutschland, fragt einer. "Sorry, we don't have Jobs", antworten wir kopfschüttelnd. Aber wenn ihr irgendwann welche habt, dann ruft uns unbedingt an. Schon hat einer einen Zettel herausgekramt und beginnt zu schreiben. Wir zucken die Schulter, wir können es nicht verhindern. Wir gehen langsam zum Auto, steigen ein, nehmen den Zettel mit den Nummern entgegen. Ein fünfter Jugendlicher kommt hinzu, er hatte offensichtlich von Ferne zugehört, schaut mir tief in die Augen und spricht schüchtern aber flehentlich mehrmals nacheinander diesen einen Satz. "Can I give my number too?"
Fünf Nummern der Hoffnungslosigkeit
Es geht uns durch und durch. Wie schlimm muss die Hoffnungslosigkeit sein, wenn sich Menschen an solche Strohhalme klammern.
Einen Tag lang fahren wir durch Swaziland, einem der ärmsten Länder der Welt. Die nackten Fakten sprechen Bände. Eine absolut regierender König, der polygam mit 14 Frauen lebt und ein Privatvermögen von mehreren Hundert Millionen Dollar besitzt.  60 % der landwirtschaftlichen Fläche wird subsidiär bewirtschaftet, d.h. keine Produktion von Überschüssen, 50 % der Bevölkerung ist auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Politische Parteien sind verboten, die Opposition wird verfolgt. 26 % der Bevölkerung sind HIV-positiv. Einmal im Jahr tanzen 40.000 barbusige Jungfrauen vor dem König, der sich mitunter eine neue Frau erwählt. Seltsam.
Wir fahren durch das Land, sehen einerseits die wunderschöne Landschaft andererseits aber auch die bittere Armut. Auch hier hat die Trockenheit für eine stellenweise fast kahle Landschaft gesorgt. Einzig die mancherorts auftauchenden großen Zuckerrohrplantagen halten sich durch Bewässerung grün.
Ländliche Siedlung in Swaziland
So sehen die Städte der Schwarzen aus,
mehr Armutsbilder erspare ich mir 
Seit drei Wochen bin ich nun in Südafrika und ich fühle mich immer noch sehr, sehr fremd. Es ist ein Land voller krasser Widersprüche und steht ganz im Focus seiner Apartheids-Geschichte. Vor nicht einmal 30 Jahren wurden hier die dunkelhäutigen Menschen, die 85 % der Bevölkerung ausmachen, diskriminiert und ihnen grundlegende Menschenrechte von einer weißen Minderheit verwehrt. Sie waren abgeschoben in sogenannte Homelands oder Townships, abgegrenzte teilweise völlig verwahrloste und unterentwickelte Gebiete, die sie als Wohnort zugewiesen bekommen hatten und durften diese nur mit Genehmigung oder zu Arbeit verlassen.  85 % des Landes besiedelten dagegen die weißen Menschen, die Südafrikas Wirtschaft mit den billigen Arbeitskräften aus den Elendsvierteln des Landes auf ein hohes Level brachten. Schwarze durften nicht mit den Bussen der Weißen fahren, nicht den gleichen Strand nutzen, nicht auf ihren Parkbänken sitzen, nicht in ihre Schulen gehen. Häufig wurden Familien auseinander gerissen und getrennt.
Als Nelson Mandela nach seiner  27 jährigen Haft aus dem Gefängnis frei kam und anschließend zum Präsident Südafrikas wurde, konnte er gemeinsam mit Bischof Tutu und anderen schwarzen Führern mit seinem massiven Eintreten für Gewaltlosigkeit verhindern, das die Machtübernahme der unterdrückten Mehrheit mit einem Abschlachten der verhassten weißen Minderheit einherging. Vor sogenannten Wahrheits- und Versöhnungskommissionen wurden Opfer und Täter zusammengebracht. Die Opfer durften anklagen, die Täter mussten in erster Linie zuhören. Ziel der Verhandlung war die Versöhnung. Gaben die Täter ihr Unrecht zu und baten um Vergebung, gingen sie straffrei aus, die Opfer bekamen finanzielle Zuwendungen vom Staat für das erlittene Unrecht. Folgte ein Weißer jedoch nicht der Aufforderung vor der Kommission zu erscheinen, hatte er mit Strafverfolgung zu rechnen.
Johannesburg - vor 130 Jahren fand man hier Gold
Viele Jugendliche sind locker drauf...
...und winken und lachen uns zu.
Lebte viele Jahre in Johannesburg - Mahatma Gandhi
Solche Fakten erfahren wir im großen Apartheidmuseum, was wir in Johannesburg innerhalb einer Stadtrundfahrt besuchen. Die Megacity, die kaum mehr als 100 Jahre alt ist, kommt bei uns viel freundlicher an, als sie uns bisher geschildert worden war. Viele, vor allem schwarze Jugendliche winken uns zu, als wir hoch oben im Bus sitzend durch verschiedene Stadtteile rollen. Aber auch innerhalb der Stadt sind die Widersprüche groß. Neben Hochglanzvierteln erleben wir dreckige, vermüllte Stadtteile mit kleinen Hütten, in denen Menschen hausen.
Häufig sitzen Menschen an den Straßenrändern
...und scheinen auf irgendetwas zu warten.
Nicht vorstellbar, dass solche Menschen vor wenigen Jahrzehnten...
...wegen ihrer Hautfarbe per Gesetz diskriminiert waren.
Die Fahrten durch das Land zum Blyde River Canyon oder an den Indischen Ozean verstärken den widersprüchlichen Eindruck. Wir fahren teilweise auf ausgebauten Autobahnen, die europäischen Standard haben, kommen aber durch manche Großstädte, wo die Straßen abseits der Hauptroute nicht einmal geteert sind, geschweige denn einen Fußsteig besitzen. Die Leute, natürlich ausschließlich Schwarze, laufen bei Regen einfach im Schlamm neben der voll ausgebauten Straße.
Etwas viel Dunst im Blyde River Canyon
Der Blyde River hat sehenswerte Arbeit geleistet
Traumhafte Strände am Indischen Ozean
All diese Beobachtungen, die uns immer wieder auf das Gemüt schlagen, vergessen wir für kurze Zeit, wenn wir in Südafrikas überwältigende Naturparks eintauchen. Am Indischen Ozean sind wir ganz nah dran an Flusspferden und Nashörnern, die allein durch ihre Größe schon außerordentlich faszinieren. Sie dann noch minutenlang in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten, macht uns immer wieder glücklich.
Mit einem Boot fahren wir zu großen Fluspferdsippen...
...und können sie aus nächster Nähe beobachten.
Im Imfolozi-Nationalpark gibt es dann zahlreiche Nashörner...
...aus nächster Nähe zu beobachten.
Warzenschweinmütter haben es nicht immer leicht
Die Liebe unter den Meerkatzen ist offensichtlich intakt.
So sind wir hin und her gerissen, von all diesen Widersprüchen und werden wohl noch einige Zeit brauchen, um dies alles zu verarbeiten. Zum Glück können wir uns austauschen und unsere Beobachtungen und Gefühle miteinander teilen. Ebenso glücklich waren wir, als ein agressiver Raser uns von der Fahrbahn drängte und wir außer ein paar umgefahrenen Warnbaken an Leib und Leben unversehrt blieben. Seid herzlich gegrüßt von Hans- Werner und Gerhard

4 Kommentare:

  1. Friedmar Sonntag12. März 2016 um 11:27

    Es ist beschämend, dass der ANC unter Zuma Südafrika so wenig weitergebracht hat.übrigens die nashörner gibt es fast nur noch bei euch dort unten.in Kenia sind sie eine absolute Rarität. Euer Geburtstagsständchen hat mich echt umgehauen .LG fried

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    1. Zuma wird aller Vorausicht nach noch in diesem Jahr abgewählt, er scheint keinen Rückhalt mehr zu haben, ist wohl auch gut so, er ist bekennender Polygamist mit 4 Frauen und 20 Kindern, das geht gar nicht....

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  2. wenn ich das lese und sehe, möchte ich nicht dort sein - nicht mal reisehalber. und dann noch schießereien mit schwarzmambas.... kimmt när heil heeme!

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